Ca Mau Halbinsel, Vietnam
Am Ende eines langen Weges durch Gebirge, die hügeligen und schließlich flachen Landschaften mündet der Fluss, mit stark verminderter Strömungsenergie als zuvor schließlich in einem großen See oder das Meer. Dort bilden die auf den langen Transportwegen stark zerkleinerter Feststoffe in Form von Sanden und Feinststoffen ein Delta, ein meist sich langsam ausbreitender flacher Feststofffächer, der schließlich infolge der Meeresströmungen und Gezeiten forttransportiert wird. Deltas sind im Vergleich zu Dünen, Rippel, Mäander und Inseln, die größten Transportkörper, die ein Fluss über Jahrtausende hinweg gebildet hat. Die genannten Körper entstehen somit aus dem Feststofftransport.
Deltas beeindrucken in der Regel durch ihre enorme flächenhafte Erstreckung, das Mekong Delta (MD) ist ca. 39.000 km2 groß, und einer extrem geringen Oberflächenneigung. Von der Spitze des MD bis zur kambodschanischen Grenze sind das nur wenige Meter --ca. 2,5 m-- Höhenunterschied. In diesem Lichte ist das MD in seiner Entstehung zu verstehen, das sich in seiner heutigen Struktur erst in den vergangenen ca. 10 TSD Jahren in seiner charaktistischen Dreiecksform (Abbildung 1) ausgebildet hat (Tamura, et al. 2007).
Der dynamische Bildungs- und Umbildungsprozess ist nach wie vor im Gange. Obwohl der Mekong etwa 150 km nördlich, von der Südspitze des Deltas aus betrachtet, ins östliche Meer mündet, gelangen dennoch seine mittransportieren, feinstkörnigen Feststoffmaterialien nach wie vor bis dorthin und von dort schließlich in den Golf von Thailand. Diese Prozesse sind an die anteiligen küstenprallelen Bewegungen gebunden, welche aus den Meeresströmungen und die sie überlagernden Gezeitenströmungen entstehen. Wir befinden uns in der Nähe des Äquators und daher spielen Strömungsablenkungen infolge Corioliseinfluss so gut wie keine Rolle. Dies erklärt zum Teil auch die stark lineare Richtungsausprägung der neun Teilströme des Mekong im Delta im Norden, bevor sie ins Meer einmünden.
Das MD stand lange infolge der zuvor angesprochenen Transportprozesse in einem quasi Gleichgewichtszustand, der geprägt ist durch den Feststoffzutransport im Fluss und die küstennahen erosiven Transportprozesse. Letztere führen Feststoffmengen nach, die dem Delta infolge Erosion und Sturmfluten an den Küsten verloren gehen. Den beschriebenen Prozessen sind aber weitere überlagert, die erst seit wenigen Jahren in ihren stark negativen Auswirkungen auf den vormaligen „quasi Gleichgewichtszustand“ erkannt worden sind
Die Beeinflussung des MD durch die Menschen, anthropogene Einflüsse Das MD ist der Lebensraum für etwa 17 Millionen Menschen und hat eine Größe von etwa 39.000 km2. Damit ist es vergleichbar mit Baden-Württemberg, Deutschland (rund 11 Millionen/ 36.000 km2). Die Wasser- und Energie-Infrastrukturen beider Länder können daher verglichen und die Erfahrungen aus Deutschland herangezogen werden. Die im Delta lebenden Menschen benötigen Wasser, woraus sich die starken ungeregelten Grundwasserentnahmen erklären. Dieser Wasserentzug führt in den hier vorkommenden gespannten Grundwasserleitern (GWL) zu einem verringerten hydrostatischen Druck und resultiert letztlich in Landsenkungen. Die Großräumigkeit dieser Setzungen (ca. 3 cm/Jahr) führt zu einem signifikanten Geländehöhenverlust. Hinzu kommt der intensive Landnutzungswandel in den 70-ern und 80-ern des letzten Jahrhunderts. Mehr und mehr Wälder und Moore wurden in Reis- und Shrimpkulturen umgewandelt, mit dem Effekt einer verstärkten Bodenerosion. Im Lichte der extrem flachen Topografie des MD-Gebiets wirken sich diese Höhenverluste destabilisierend aus: Landverlust, Überschwemmungen, Küstenerosion und Süßwasserverdrängungen durch Salzwasser sind die Folge. Der Ausbau des mittleren Mekong Flusses durch Staustufen hat den stärksten destabilisierenden Einfluss auf das gesamte MD. In den Stauhaltungen erfolgt der Rückhalt der im Fluss transportierten Sedimente als Geschiebe und ebenso eines Anteils seiner Schwebstoffe. Die Folge davon ist die fortschreitende Flussgebietserosion unterhalb der Staustufen zum Ausgleich des Sedimentrückhalts in den Staustufen. Infolge der gleichzeitigen Wasserentnahmen für Haushalte, Industrie und Landwirtschaft wird zusätzlich der jährliche Abflussgang des Flusses empfindlich herabgesetzt (man spricht heute von bereits etwa 30 % weniger Abfluss im Jahresmittel, bezogen auf den Zustand vor dem Staustufenbau; Räsänen et al. 2012). |
Abbildung 1: Übersichtskarte Vietnam (Vu und Klinger 2017) |
Hierdurch wird unmittelbar die Feststofftransportintensität des Flussesüberproportional reduziert. Dem MD werden auf diese Weise große Anteile des Feststoffeintrages entzogen. Seine Feststoffbilanz ist in ein starkes Ungleichgewicht geraten. Im Mekong Gebiet werden außerdem Sedimente zur Baustoffgewinnung ausgebaggert (sogenanntes Sand mining). Die dem Fluss jährlich entnommenen Volumina sind mit dem mittleren jährlichen Feststoffeintrag durch den Fluss selbst vergleichbar. Entnahmestellen und deren Ausbeute sind räumlich und zeitlich ungeregelt verteilt. Über 550.000 Grundwasserbrunnen entnehmen täglich rund 2 Mio. m³ Wasser aus den Grundwasserleitern des MD mit der Folge eines sinkenden Grundwasserspiegels und damit hydrostatischen Drucks von mehreren Metern in den einzelnen Aquiferen, von denen vornehmlich sieben genutzt werden. Der fehlende Sedimenttransport in das Deltagebiet aufgrund einer zunehmend verbesserten Hochwasserkontrolle führt zudem dazu, dass die Sedimentation frischer Partikel eingeschränkt wird und die natürlich Kompaktion der Sedimentschichten nicht mehr angemessen kompensiert werden kann. Diese Prozesse führen zu einer Landsenkung von rund 3 cm pro Jahr, die allerdings räumlich variiert (Erban et al. 2014). Dieses Signal überprägt somit das Klimasignal bei weitem, fördert die Küstenerosion und bedroht das Delta in seiner Existenz. Weiterhin wird eine zunehmende Versalzung der Grundwässer verzeichnet, die deren Nutzung zunehmend einschränken. Die zuvor beschriebenen Einflüsse haben den Stabilitätszustand des gesamten Deltas inzwischen sichtbar aus dem Gleichgewicht gebracht. Da ein unmittelbarer Zusammenhang der Feststofftransportprozesse im Mekong, mit dem Eintrag ins Meer und den küstenparallelen Transportprozessen besteht, erklären sich damit auch die wirksamen Küstenerosionsprozesse am MD, im Süd-Westen im Golf von Thailand. Diese werden somit unmittelbar in einem Maße zunehmen, wie sich die Abflüsse im Mekong künftig weiter verringern werden. Abbildung 2 illustriert den beschriebenen Wasser- und Stofftransport auf regionaler Skala im MD.
Der weltweite Klimawandel sendet messbare Signale aus, die das Quasi-Gleichgewicht des Deltas beeinflussen werden: Infolge der durchschnittlichen globalen Klimaerwärmung kommt es zum weltweit erkannten, jährlichen mittleren Meeresspiegelanstiegs, der von den Wissenschaftlern mit großer Einhelligkeit auf etwa 3 mm/a beziffert wird (Cheng et al. 2017). Langfristig wird dieser Effekt, sollte er anhalten, im kommenden Jahrhundert eine Größe erreicht haben, die anteilsmäßig zu einem messbaren Wasserrückstau in das Delta führen wird. Diesem Effekt allein könnte aber auch auf lange Sicht durch entsprechende Infrastrukturmaßnahmen entgegengewirkt werden; dennoch, auch der Quasigleichgewichtszustand des Feststoffhaushalts wird dadurch beeinträchtigt. Infolge sich ändernder Klimabedingungen im Einzugsgebiet des Mekongs werden die jährlichen Niederschlagsverteilungen und Intensitäten sowie auch die gesamte Evapotranspiration beeinträchtigt und verändert. Die Intensitätsspreizung von Dürre- und Hochwasserperioden wird zunehmen, was sich noch stärker auf den Feststofftransporthaushalt infolge von verstärkten Unregelmäßigkeiten auswirkt! Ebenso wird die Küstenerosion dabei zunehmen. Und schließlich sind auch Änderungen der Meeresströmungen und des Gezeiteneinflusses zu erwarten. Dennoch, bliebe es alleine bei den Einflüssen des Klimawandels, bestünde bei rechtzeitigem Beginn von Gegenmaßnahmen, genügend Zeit darauf zu reagieren, das MD in einem langfristig stabilen Zustand zu erhalten.
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Abbildung 2: Wasserflüsse und Stofftransport in der meckong Delta Region |